Ludwig Schneider (1875 – 1945)*
Kurzgefaßte Schilderung der Verhältnisse und Zustände
in den protestantischen Kolonien Galiziens bis 1816
in: Gedenkbuch zur Erinnerung an die Einwanderung der Deutschen in Galizien vor 150 Jahren,
herausgegeben vom Ausschuss der Gedenkfeier, Posen 1931, Seite 15 – 50
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Was auf den folgenden Seiten berichtet wird, ist einem Kapitel einer umfassenderen Arbeit über die galizischen protestantischen Kolonien bis etwa 1816 entnommen. Diese Arbeit ist das Ergebnis einer Studie der im Lemberger Pfarramt vorhandenen Dokumente, und zwar der Superintendentialakten der Teschener Superintendentur bis 1805, von da ab der Lemberger Superintendentur. Denn als die neuerworbene Provinz unter dem Namen Galizien zu Österreich kam und mit deutschen Protestanten besiedelt wurde, wurde sie kirchlich der Superintendentur Teschen angegliedert. 1784 entstand das Konsistorium in Wien als oberste protestantische Kirchenbehörde für ganz Österreich, bei gleichzeitiger Trennung der lutherischen und reformierten Kirche. 1804 wurde die galizische Diaspora (mit der Bukowina) in eine besondere Superintendentur mit dem Sitz in Lemberg zusammengefaßt. Die Teschener Akten, die die galizische Diaspora betrafen, wurden vom Teschener Superintendenten Bartelmus dem ersten Lemberger Superintendenten Josef Paulini ausgefolgt. Sie reichen bis zum J. 1774 zurück.
Um wenigstens ein knappes Bild von der Entwicklung des Protestantismus in Galizien innerhalb der ersten 40 Jahre zu geben, seien die statistischen Daten Bredetzkys, des zweiten galizischen Superintendenten, angeführt, der 1806 eine „Seelenzählung“ seiner Diözese vornahm: im westlichen Seniorat gab es die Pastorate: Sawlów mit 63 Fam., und 234 Seelen, Krakau-Podgórze 106 F. 273 S. , Reichsheim 126 F. 630 S., Stadlo 85 F., 471 S., Neu-Sandez 120 F., 600 S., Biala 250 F., 1500 S.. Im mittleren Seniorat: Ranischau 90 F., 450 S., Josefów 189 F., 900 S., Reichau 80 F., 400 S., Bandrów 82 F., 469 S., Brigidau 175 F., 875 S., Hartfeld 148 F., 740 S., Dornfeld 200 F., 1000 S., Lemberg 312 F., 2213 S.,; im östlichen Seniorat: Ugartsthal 86 F., 634 S., Gelsendorf 53 F., 369 S., Zaleszczyki 25 F., 128 S. Zusammen 17 lutherische Pastorate mit 2181 Familien und 11.913 Seelen. Dazu kommen zwei reformierte Pastorate: Königsberg mit 59 F., ? S., Josefsberg mit ? F., 543 Seelen; endlich die Mennoniten in Szczerzec, Rosenberg und Falkenstein, zusammen 28 Familien mit 128 Seelen.
Die Krone aller Patente und Verordnungen, die die österreichische Regierung zugunsten der protestantischen Ansiedler erließ, war das Toleranzpatent Josefs II. vom 13. Oktober 1781. Aber in dem Wort „Toleranz“ lag eben nur der Begriff der Duldung. Denn der Supremat der herrschenden katholischen Kirche blieb unangetastet. Schon in der Namengebung kam diese niedrigere Rangordnung der protestantischen Kirche zum Ausdruck. In den Regierungsdokumenten heißen die Protestanten noch lange „Akatholiken“, trotz des Warschauer Traktats von 1768, dessen Begünstigungen die österreichische Regierung sofort nach Übernahme der neuen Provinz auf die Ansiedler als ersten Staatsakt ausdehnte. Erst im Jahre 1849 verfügte das Kreisschreiben vom 4. Februar, vom galizischen Landeschef Grafen Agenor Goluchowski unterzeichnet, im Auftrage des Ministerrates, daß 1. „die protestantischen Confessionsverwandten in Österreich künftighin in ämtlicher Beziehung mit dem Namen „Evangelische“ der Augsburger- oder Helvetischen Confession zu bezeichnen sind, 2. daß der Übertritt von einem christlichen Bekenntnis zum andern frei ist, 3. daß die Matrikelführung dem evangelischen Pfarrer überlassen werde, 4. keine Stolagebühren an katholische Geistliche geleistet werden müssen, 5. daß die Abgaben an katholische Schullehrer aufzuhören haben, wo es protestantische Schulen gäbe, endlich 6. daß für gemischte Ehen das Aufgebot in beiden Kirchen geschehen solle“. Bis zu dieser Zeit wurde also die protestantische Kirche in ihrer seelsorgerischen Tätigkeit außerordentlich eingeschränkt, ja in Kirche und Schule wurden die Protestanten unter die Kontrolle der katholischen Kirche gestellt. Die Pastoren mußten Anmeldezettel für ihre Ministerialhandlungen, also in Trau-, Tauf und Begräbnisfällen, von dem zuständigen katholischen Pfarrer beheben. Mit Ende jedes Monats mußten sie die Verzeichnisse über die verrichteten Amtshandlungen an die katholischen Geistlichen abliefern. Für sich führte der Pfarrer nur ein Kurrendenbuch mit den notwendigen Eintragungen für seine geistliche und politische Behörde. Es war in Gemeinden, die keinen Pastor hatten und vom nächsten Bethaus zu weit waren, nicht gestattet, an Sonn- und Feiertagen, in Ermangelung eines Pastors, gottesdienstliche Versammlungen abzuhalten. Dieses Verbot wurde auf Vorstellung des Wiener Konsistoriums mit Hofdekret vom 15. Mai 1808 dahin gemildert, daß der Schullehrer Lesegottesdienste halten dürfe mit der Einschränkung, nur zensurierte und vom Konsistorium genehmigte Gesänge, Gebete und Predigten (zur Verhütung schwärmerischer Grundsätze!) zum Vortrag zu bringen. Unterm 15. Mai 1782 befindet sich unter den Dokumenten des Pfarrarchivs eine Verordnung des Lemberger Distrikt-Direktoriums mit der Weisung, daß katholische Pfarrer das Recht haben, evangelische Funktionen dort zu halten, wo kein Bethaus, kein Pastor, kein Schullehrer ist, mit Außerachtlassung alles dessen, was für Protestanten anstößig wäre. (Fegefeuer u. dgl.). Diese ursprünglich für Schlesien bestimmte Verordnung wurde 8 Monate nach dem Toleranzpatent auf Galizien ausgedehnt mit der Begründung, daß das Ritual noch aus Luthers Zeiten stamme und dem katholischen sehr ähnlich ist, daher keinen Anstoß erregen könne. Für die evangelische Matrikelführung war das Hofdekret vom 16. Mai 1798 maßgebend, wonach nur die katholischen Seelsorger von der Staatsverwaltung zur legalen Führung der Matrikel berechtigt waren und Matrikelzeugnisse ausstellen durften. Daher hatten sich evangelische Pastoren der Ausstellung von Tauf-, Trau- und Totenscheinen zu enthalten. Am schwersten trafen die Einschränkungen der religiösen Freiheit das Eherecht. Laut Verordnung des Hofdekrets vom 10. März 1784 mußten evangelische Brautleute in der katholischen Kirche ihres Wohnorts oder Sprengels aufgeboten werden, ebenso zwar in der evangelischen Kirche, aber die Stolagebühren kamen dem katholischen Priester allein zu. Der Trauungsschein mußte dem katholischen Pfarramt eingeliefert werden. Bei gemischten Brautleuten vollzog die Trauung nur der katholische Geistliche.
Das Gesetz im Warschauer Traktrat, daß der Übertritt vom katholischen Glauben zum evangelischen ein Verbrechen sei und gestraft werde, erfuhr durch das Dekret vom 21. Jänner 1808 eine Milderung. Darnach durften Katholiken übertreten, mußten aber vorher sechs Wochen hindurch beim katholischen Pfarrer Unterricht haben, worüber die Pastoren zu wachen hatten.
In praktischer Hinsicht war die protestantische Kirche in Österreich, also auch in Galizien, restlos der Staatsgewalt untergeordnet. Die oberste Zentralstelle war die Kabinettskanzlei des Kaisers in Wien. Das Konsistorium als höchste Instanz für alle Kirchen- und Schulangelegenheiten war ein k.k. Amt. Es unterbreitete seine Anträge der Hofkanzlei, diese erließ ihre Verordnungen dem Konsistorium zur Durchführung. Die Gliederung der Instanzen in den Provinzen war: die Hohe Landesstelle (Gubernium), Superintendentur, Kreisamt, Seniorat. Rein wirtschaftliche Angelegenheiten der Kirche wurden von der k.k. Staatsgüterverwaltung und deren Unterorganen, den Ökonomien oder Kameralien besorgt, die dem Gubernium in Lemberg unterstanden. Die innerkirchliche Organisierung war folgende: dem Konsistorium unterstand unmittelbar die Superintendentur. Diese zerfiel in Seniorate, deren es in Galizien z.Z. Bredetzkys drei gab, heute vier. Ein Seniorat zerfiel in Pastorate. Das Pastorat war eine Gemeinde mit einem Pastor. Zu ihr gehörten Filialen, das heißt Gemeinden ohne eigenen Pastor. Die Kompetenz und Wirksamkeit der kirchlichen Instanzen waren: Dem Pastor oblag die Seelsorge seines Bezirkes. Er mußte oder sollte wenigstens jeden Sonn- und Feiertag einen Gottesdienst in seiner Pfarrgemeinde abhalten, am Nachmittag hatte er die Pflicht, die erwachsenen Glieder seiner Gemeinde zu katechisieren. Er führte die oberste Aufsicht über die Schule seiner Gemeinde. Einen neuanzustellenden Lehrer hatte er auf seine „Geschicklichkeit“ hin zu prüfen. Das Verhältnis der Muttergemeinde und des Pastors zu den Filialen wurde unter ihnen jeweils nach Leistung und Gegenleistung geregelt. Der Senior führte die Aufsicht über die Amtsführung seiner Pastoren, über die Einhaltung des Vokationsvertrages durch Pastor und Gemeinde, er visitierte die Pastorate und war für alle Vorgänge in seinem Pastorate der Superintendentur verantwortlich. In gleicher Weise war die Kompetenz der Superintendentur im Verhältnis zum Wiener Konsistorium eingestellt, dieses hinwiederum vertrat die gesamte protestantische Kirche des Reichs der Regierung gegenüber. Die I n g e r e n z der Hofstelle erstreckte sich juridisch von der Besetzung einer Dorflehrerstelle bis zur Berufung der Konsistorialräte.
Die erste politische Instanz war für die Gemeinde das Kreisamt. in ökonomischer Hinsicht die Kameralstelle. Es gab deren in jedem Kreise mehrere. Dieses Wirtschaftsamt legte die neue Kolonie an, lieferte den Ansiedlern nach den Weisungen des „Hauptnormales“ Baumaterialien, Ackergerätschaften und Zugvieh. Ebenso sorgte es, wo die Gemeinde es wünschte und es nötig war, für den Bau eines Bethauses oder einer Schule und setzte für die Erhaltung des Pastors und des Lehrers den üblichen Jahresgehalt fest. Diese Besoldung wurde von der Gemeinde und dem Ärar grundsätzlich in den ersten drei Jahren etwa zu gleichen Teilen getragen. Die Beiträge des Ärars betrugen für einen Landlehrer jährlich etwa 25, für einen Landpfarrer 150 fl. rheinisch. Außer Bargeld, freier Wohnung und Beheizung gab es einen Pfarr- beziehungsweise Schulgrund im Ausmaße von 6 Korez Aussaat, dessen Bestellung der Gemeinde oblag. Keineswegs übte jedoch der Staat an den Gemeinden ein Patronat aus. Seine Leistungen für sie geschahen nur gnadenweise. Laut späterer Verordnung sollten die Beiträge aus dem Ärar nur bis 1798 laufen und die Gemeinden von da ab Pfarrer und Lehrer selbst erhalten. In der Praxis verlängerte aber die Regierung die Barhilfe von Fall zu Fall auf drei weitere Jahre.
Im übrigen war es nur notwendig und zum Heil der Gemeinden und Ansiedler, daß die Regierung ihnen gegenüber ihre ganze Autorität und einen festen Ordnungswillen aufbrachte. Wir bewegen uns in einer Zeitepoche, die unseren Tagen in vieler Hinsicht glich: ein Zusammenbruch der europäischen Verhältnisse, die napoleonischen Kriege, in deren Folge Verwüstung weiter Ländereien in Westdeutschland, Elend, Not und Seuchen, ein Niedergang der Kultur und ungeheure Sittenverderbnis. Kaiser Josefs II. Ruf erscholl daher den Deutschen im Rheinlande, Württembergs und hinauf bis nach Holstein wie eine frohe Botschaft. Aber jene Generation von Menschen war ebenso ein Opfer der Zeitläufte, wie die heutige Menschheit es ist. Wenn daher die Dokumente über die Ansiedler, die ins Land kamen, vielfach Unerfreuliches berichten, wenn Selbstsucht, Haß, Untreue und Sittenlosigkeit da und dort in den Kolonien herrschten, auch unter den Pfarrern und Lehrern viele Abenteurer und verworfene Menschen waren, es waren im Grunde genommen vom Zeitgeiste verdorbene, vom Schicksal hart mitgenommene Geschöpfe, die nicht immer durch eigene Schuld ihrer Menschenwürde beraubt waren. Bredetzky urteilt darüber 1806: „Der Zeitgeist war frivol und irreligiös. Durch die französische Revolution ward alle Kirchenordnung in Deutschland zerstört.“ Und ein anderer Gewährsmann und Zeitgenosse, Pastor Wach, schreibt in einem Briefe aus seiner Gemeinde in Ranischau: „ Der Begriff der christlichen Liebe war bei den deutschen Bauern vage, natürlicher und angemessener war für sie der Begriff „Muß“. Der Kern der Einwanderer war gesund, aber die harte Zeit hatte eine rauhe Schale um ihn gelegt. Schwand diese, dann kam der gesunde Kern wieder zum Vorschein.“
Die Geschichte über den Aufbau des Besiedlungswerkes ist noch zu schreiben. Die Regierung hatte unzweifelhaft den besten Willen, den Ansiedlern zu helfen. Ein Segen für die jungen Siedlungen war das weise Wirken des Domänendirektors Hofrats Kortum in Lemberg, mit dem Bredetzky eng befreundet war.
Werfen wir nun einen Blick auf die inneren Verhältnisse in den Gemeinden zu jener Zeit. Was die Gemeindeordnung in den Kolonien anbelangt, stand an ihrer Spitze der von den Gemeindegliedern gewählte Gemeindevorsteher oder Schulze. In manchen Gemeinden wurde er lebenslänglich, in andern für ein Jahr gewählt. Ursprünglich oblag ihm auch die Sorge fürs Kirchenwesen seiner Gemeinde, erst später wurden ein Kirchenrat mit einem Kirchenvorsteher und „Repräsentanten“(Gemeindevertretern) gewählt. War der allgewaltige Schulze herrschsüchtig, dann trug seine Willkür Parteispaltungen und Hader zwischen Pfarrer und Lehrer, oder Pfarrer oder Lehrer und Gemeinde hinein. Großes Unheil richteten in den Kolonien die Schenken an, die die Regierung hineinsetzte. Trunksucht, Kartenspiel und Prozeßsucht fraßen am Lebensmark vieler Gemeinden. Daher die vielen gegenseitigen Anklagen und Streitfragen, die so oft sogenannte Kommissionstagungen in den Gemeinden unter Leitung des Seniors und, wenn es sich um wirtschaftliche Dinge handelte, unter Hinzuziehung des Kameralverwalters notwendig machten.
In den ersten dreißig Jahren berichten die Dokumente viel Unerfreuliches über die Zustände in den Gemeinden. Der Streit ging vielfach um das Gehalt des Pfarrers oder Lehrers. Es hatte so mancher Pastor und Lehrer ein wahres Martyrium auszustehen, hielt es in einer Gemeinde nicht lange aus und wechselte oft seine Stelle. „Die Kolonisten sind dem größten Teile noch rohe, wilde, ungesittete Menschen und böse Christen.“ klagt Pastor Kurz über seine Brigidauer Gemeinde. Aber es zeigte sich bald, daß mehrere dieser Pfarrer und Lehrer, die über ihre Gemeinden Klage führten, gar keine moralische Eignung hatten und selbst zum Auswurf der Menschheit gehörten. Es widerstrebt einem, das Charakterbild eines Pastors Kurz, Heil oder Wagner zu entwerfen.
Die Beziehungen zwischen Protestanten und Katholiken waren aus religiösen und nationalen Gründen gespannt. Die ersten Gemeinden hatten unter dem Fanatismus und der Intoleranz der Geistlichkeit und der Massen sehr zu leiden. Der Haß der Katholiken hatte auch darin seinen Grund, daß viele Gemeinden auf ehemaligen geistlichen Gütern saßen, die von Kaiser Josef II. eingezogen und als sogenannte „Reservatsgründe“ Besiedlungszwecken zugeführt worden waren. Auch galt die Bestimmung, daß jeder, ob Protestant oder Katholik, der auf einem Reservatsgrund saß, zur Erhaltung des protestantischen Pfarrers den entsprechend repartierten Beitrag zu leisten hatte.
Übergriffe gegen Protestanten kamen vor, wenn politische Beamte aus persönlicher, nationaler oder konfessioneller Unduldsamkeit einem katholischen Geistlichen Handlangerdienste leisteten. Aus Lipnik (b. Biala) liegt vom 2. August 1801 eine Beschwerde vor, daß die evangelischen Grundwirte unter Militäreskorte gezwungen wurden, an der Erneuerung der katholischen Pfarrwohnung mitzuarbeiten. Auf den Protest dagegen hat der Landesgouverneur Armeny auf Grund des kreisämtlichen Provisoriums von 1793 und 1802 die Gemeinde nachträglich von solchen Leistungen freigesprochen. Es liefen Klagen ein, daß protestantische Paten bei katholischen Taufen nicht zugelassen wurden. Auf seine Vorstellungen darüber erhielt das Konsistorium von der Hofkanzlei unterm 10. Juli 1802 folgenden Bescheid. „Nachdem die Allerhöchste Anordnung vom 27. Juni 1801 keine akatolischen Taufpaten bei katholischen Kinder zuzulassen und sie sich bei ereignenden Fällen mit guter Art zu entfernen, lediglich der katholischen Kurat-Geistlichkeit zur Richtschnur dient, so ist sie auch nur derselben bekannt gemacht worden. Obschon es bei dieser Anordnung fortan zu verbleiben hat, so haben doch Seine Majestät gnädigst erlaubt, daß Akatholiken bei den katholischen Taufen, wo der Pate immer katholisch sein muß, als Zeugen erscheinen können, um, wenn sie schon einmal zu einem solchen Akt geladen sind, nicht wieder davon abgeschlagen zu werden.“ Josefinische Toleranz atmete dieser „Allerhöchste“ Bescheid nicht mehr.
Wie immer unter Menschen, so hing auch im Verhältnis der beiden Konfessionen die Eintracht vielfach vom guten Willen und der Verträglichkeit beider Parteien ab. So konnte z.B. Superintendent Bredetzky in seinem Visitationsbericht über Dornfeld und seinen Pastor Simon berichten, daß Simon mit seinem katholischen Nachbarpfarrer in Szczerzec auf bestem Fuße lebe und dieser sei sogar auf seiner, Bedetzkys, Visitationspredigt gewesen. In manchen Fällen liegt schließlich die Vermutung nahe, daß solche Übergriffe katholischer Geistlicher von den Protestanten selbst leichtfertig provoziert wurden, wenn z.B. die Dornfelder ihrem verhaßten Pfarrer Heil zum Trotz ihre Kinder vom griechisch-katholischen Pfarrer taufen ließen, oder wenn sich ein reformiertes Brautpaar aus Moosberg Reibereien mit der lutherischen Muttergemeinde Hartfeld wegen, nicht vom zuständigen Pastor Steller, sondern ohne protestantischen Religionsausweis vom katholischen Pfarrer trauen ließ.
Auch das Verhältnis der lutherischen und helvetischen Kirchen zueinander war nicht immer von glaubensbrüderlicher Liebe getragen. In und um Wadowice saßen noch aus der Zeit der freien polnischen Republik Reformierte, vielfach polnische Adelige, und hatten damals in Pastor Teichmann ihren Senior. In der Besiedlungszeit waren folgende neue reformierte deutsche Gemeinden entstanden: 1. Josefsberg mit einem Pastor, 2. Steinfels, 3. Lindenfeld, 4. Königsberg, das zweite Pastorat, 5. Gillersdorf, 6. Moosberg, 7. Felsendorf, 8. Rehberg, 9. Deutschbach und 10. Ugartsthal, gemischt. Außer Josefsberg und Königsberg hielten sich die andern ihrer Zerstreuung wegen zu den nächsten lutherischen Gemeinden oder bezogen nur von Zeit zu Zeit deren Pastor zur Bedienung nach ihrem Ritus. Nach der Scheidung beider Konfessionen im Jahr 1784 herrschten zwischen den beiderseitigen Pfarrern Eifersüchteleien wegen gegenseitiger Einmischung in Amtshandlungen. Die beiden Wiener Konsistorien sahen sich endlich bemüßigt, die Verhältnisse untereinander zu ordnen. Man kam überein, daß das jeweilige Pastorat in Galizien auch die anderskonfessionellen Protestanten seelsorgerisch betreuen solle. Dieses Abkommen wurde dann 1808 dahin erweitert, daß bestimmt wurde, kein Pastor dürfe irgend ein Mitglied der andern protestantischen Konfession unter seine Gemeindeglieder aufnehmen, es habe denn vorher das vorschriftsmäßig von dem zuständigen Seelsorger vidierte Superintendental- oder Senioratszeugnis vorgelegt.
Mit den Lutheranern und Reformierten kamen auch Mennoniten ins Land. Auch sie waren Deutsche. In ihrem kirchlichen Leben schlossen sie sich von den Protestanten ab. Wohl versuchten das Gubernium und die Kirchenbehörde, sie in die protestantische Kirchenordnung einzufügen und sie zu Beitragsleistungen heranzuziehen, aber es war vergeblich. Zumal Bredetzky bemühte sich darum. In den Akten befinden sich verschiedenartige lose Anmerkungen über die Mennoniten, die er im zweiten Buche seiner „Reiseerinnerungen“ zu einem Aufsatz zusammengefaßt hat. Er nennt die Mennoniten eine Art Wiedertäufer. „Die Wiedertäufer sind“ – so schreibt er – „ „zur Zeit der Reformation entstanden und haben vorzüglich zu Münster ihr Wesen getrieben. Sie wurden anfänglich sehr verfolgt, weil sie die Vielweiberei für möglich hielten und alle Obrigkeit verwarfen, bis sie in Holland, wo sie Mennoniten, von einem Friesländer, Menno Simons, genannt wurden, ihre Konfession herausgaben, in welcher sie die Vielweiberei für unzuläßlich, die Obrigkeit aber für eine göttliche Ordnung anerkannten. Die galizischen Mennoniten kamen, 30 Familien stark, unter Josef II. ins Land. Ihre Vermehrung hat der Kaiser bis auf 100 Familien gestattet. Zehn von diesen 30 Familien zogen nach Rußland, die übrigen wurden in der Szczerzecer Herrschaft angesiedelt. Zur Zeit (1807) sind: zu Einsiedel 12 Familien, zu Falkenstein 4, zu Rosenberg 3, zu Szczerzek 1 Familie, in Summa 128 Seelen.
Anfangs wurden die Mennoniten als Protestanten behandelt, und sie mußten zur Erhaltung des Dornfelder Pastors beitragen. Da sie aber keinen Pastor anerkennen, sondern Lehrer aus ihrer Mitte haben, die unentgeltlich die nötigen Funktionen verrichten, ordnete die hohe galizische Stelle eine Untersuchung an, die im Jahre 1795 zu Siemianówka stattfand. Die Folge dieser Kommission war, daß die Mennoniten durch ein Hofdekret von aller Beitragsleistung an den evangelischen Pastor zu Dornfeld freigesprochen wurden. Sie nehmen keine Ämter an, leisten keinen Eid und keine Kriegsdienste, und teilen sich in zwei besondere Sekten, in die strengen, Schweizerischen, die sich die Bärte wachsen lassen und keine Knöpfe tragen, daher sie auch Häftler genannt werden, von dieser ist nur eine Familie in Galizien; und die Knöpfler, diese tragen Knöpfe und lassen sich den Bart scheren. Im ganzen sind sie stille, arbeitsame, gute Menschen, die ihre Dienstboten wie ihre Kinder behandeln, sich vor heftigen Ergießungen der Leidenschaften hüten, und schon äußerlich durch ein besseres Ansehen in Gestalt und Kleidung vor den übrigen Kolonisten auszeichnen. Doch eben durch dieses bessere Aussehen ziehen sie die Jünglinge der Nicht-Mennoniten an sich und veranlassen dadurch die Eifersucht der Protestanten. Weit mehr denn ein Beispiel hat gelehrt, daß der gefällige (gefallsüchtige) Mann bald zur Sekte des geliebten Weibes neigt und seine Kinder nicht taufen läßt, worüber die Lutheraner und Mennoniten wenigstens im Innern großen Lärm schlagen. Auch hier habe ich bemerkt, daß bei gemischten Ehen die Kinder die Religion der Mutter der des Vaters vorziehen, weil die erste Beziehung, die ersten bleibenden Eindrücke, nicht von dem Vater, sondern von der Mutter herrühren, das weibliche Herz für die Religion mehr Empfänglichkeit hat und seine Individualität andern angelegentlicher aufzudringen bemüht ist.“
In seiner Zuschrift ans Gubernium meint Bredetzky, es gehe nicht an, daß „ein einfacher Bauer alle heiligen Handlungen ausüben dürfe, weil er sich doch z.B. in den landesüblichen Gesetzen bei der Kopulation nicht auskenne und solche Ehen leicht ungültig erklärt werden können, wenn sie einmal angefochten würden“. Auch forderte Bredetzky feste Formen für die Religionszuweisung der Kinder aus gemischten Ehen. Das Wiener Konsistorium hatte sich auf Grund der Berichte der Lemberger Superintendentur in Sachen der Mennoniten angelegentlich interessiert, es scheint aber nichts erreicht zu haben.
Es ist ein Ruhmesblatt der Geschichte der protestantischen Kirche in Galizien, daß von allem Anfang an ihre angelegentliche Sorge der Errichtung einer Kirche und Schule in den Gemeinden und der Gewinnung eines Pastors und Lehrers galt. Aus den Dokumenten des Pfarrarchivs geht nicht hervor, daß mit den Einwanderern zusammen ein Pastor ins Land gekommen sei. Mußten doch zuerst die Kolonien angelegt werden. Sobald eine Gemeinde soweit war, war auch das Bedürfnis nach Pfarrer und Lehrer da. Sie mußten aus dem Auslande bezogen werden. Dies hatte von vornherein manche Nachteile. Der Pastor kam in ihm ganz fremde Verhältnisse hinein. Er kannte weder die Gesetze und die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse, noch Sprache, Sitten und Brauch von Land und Volk. Das behinderte ihn vielfach in seiner Stellung als Deutschen und evangelischen Pfarrer. Es war kein Mangel an auswärtigen Kandidaten. Sie meldeten sich aus den österreichischen Erbländern, aus der nahen Zips, vor allem aus dem Westen Deutschlands. Dort hatten die protestantischen Gemeinden, die im Kriegsgebiet lagen, ungemein gelitten, sie waren wirtschaftlich vernichtet, ihre Kirchen und Schulen niedergebrannt, die Pfarrer und Lehrer ihrer Habe verlustig und vor den Franzosen oft zur Flucht gezwungen. Viele von ihnen suchten daher ihr Heil in der Fremde. Als nun der Werberuf zur Besiedlung von dem menschenfreundlichen und toleranten Kaiser Josef erscholl, richteten viele ihre Blicke auf dieses verheißene Land. Aber geraden den Pastoren aus den westlichen Gebieten, die von den Franzosen besetzt waren, war die Bewerbung um ein galizisches Pastorat von der österreichischen Regierung versagt. Es war verboten, Kandidaten aus Ansbach, dem Bayreuthischen, Falkensteinischen und Zweibrückischen in Galizien zu Pfarrern zu bestellen. 1793 wurde dies Verbot gar auf das ganze von den Franzosen besetzte deutsche Gebiet ausgedehnt und erst mit dem Hofdekret vom 20. Juni 1808 unter gewissen Klauseln aufgehoben.
Gemeinden, die ihren Pfarrer selbst erhielten, hatten das ius vocandi, das Wahl- und Berufungsrecht. Sie brauchten nur nach getroffener Wahl die Anzeige davon an das Gubernium und das Konsistorium zu machen und die Genehmigung des letzten sowie die Bestätigung des Hofes einzuholen, bevor der Pastor die Stelle antreten durfte. Aber solche Gemeinden waren in unserem Zeitabschnitt nur die städtischen in Biala, Krakau – Podgórze, Lemberg und Zaleszczyki. Die Landgemeinden, deren Kirchen und Schulen durch Beihilfe des Ärars errichtet waren, und die zur Erhaltung von Pfarrer und Lehrer einen Beitrag vom Staate erhielten, waren in eine völlige Abhängigkeit von der weltlichen Obrigkeit geraten, die für sie verhängnisvoll hätte werden können, wenn nicht gerade das Interesse des Staates sich mit dem der Gemeinden und der protestantischen Kirche gedeckt hätte, andererseits auch in den in Betracht kommenden galizischen hohen Amtsstellen der Regierung sowohl als auch der Superintendentur nicht Männer gewirkt hätten, die das Wohl der Allgemeinheit im Auge behielten.
Eine Pfarrerwahl mußte nach den Bestimmungen des Hofdekrets vom 15. September 1804 vorgenommen werden. Die Gemeinde zeigte der Superintendentur die Vakanz an. Sie machte den von ihr ins Auge gefaßten Kandidaten namhaft oder, was häufig vorkam, bat sie um einen geeigneten Kandidaten. Kam die Zustimmung zur Wahl, dann schritt die Gemeinde unter Vorsitz des Kirchenvorstehers zur Wahl. Einfache Stimmenmehrheit entschied. Inzwischen war die Gemeinde mit dem Kandidaten in Unterhandlungen getreten und hatte ihm die Vokation zugeschickt, die alles enthielt, was sie von ihrem Seelsorger erwartete und was sie ihm bot. Die Forderungen, die sie an den Pfarrer stellte, gipfelten in der Erwartung (aus Bochnia-Sawlów): „… würdiger Seelsorger, der uns nicht bloß das Wort Gottes lauter und rein nach der heiligen Schrift vortrage, die Jugend in derselben unterrichte, die Katechisation alle Nachmittage Sonntags fleißig halte, die hl. Sakramente ordentlich verwalte, den Kranken und Leidenden mit Trost und Rat an die Hand gehe, sondern uns auch, und dies vorzüglich, in einem unbescholtenen, unanstößigen, nach der Vorschrift des Christentums eingerichteten Lebenswandel als Muster vorleuchten und uns dadurch die eindringendste Unterweisung zur Tugend zu geben imstande wäre.“ Die Vokation wurde vom Superintendenten dem Gubernium zur Bestätigung vorgelegt. Kam der Gewählte gerade von der Universität, so mußte er sich vor dem Superintendenten oder in dessen Stellvertretung vor dem Senior einem Examen aus griechischer Sprache und Grammatik, Kirchengeschichte und philosophischer Morallehre unterziehen.
Hierauf erfolgte die Ordination, nach erfolgter Probepredigt die Präsentation der Landesstelle, worauf der gewählte und bestätigte Kandidat vom Senior oder in dessen Vertretung von einem Pastor in den Gemeinden installiert wurde. Während der Superintendent bei seiner Ernennung vor voller Ratsversammlung den politischen Eid ablegte, unterschrieb der Pastor nur einen Revers.
Das Patronatsrecht der Gemeinden, die ihren Pfarrer selbst erhielten, führte zu manchen Mißhelligkeiten. Wurden sie mit ihrem Pfarrer uneinig, so maßten sie sich das Recht an, mit ihm nach Gutdünken verfahren zu dürfen. Das Konsistorium mußte oft energisch zugreifen, um solche Gemeinden zur Ordnung zurückzuführen. Eine Pfarrerwahl kostete Geld, sowohl die Gemeinde, als auch der Gewählte mußten die vorgeschriebenen hohen Taxen erlegen, die in den Fundus Consistorii zur Deckung der kirchlichen Verwaltungsauslagen flossen. Der Post- und Personenverkehr geschah damals mittels Diligence.[1] Für die Entfernung Lemberg – Wien brauchte man 7 Tage. Die häufigen Zirkulare der Senioren an die Pfarrämter liefen durch Boten, wenns ging, durch gelegentliche Boten, von Gemeinde zu Gemeinde, zum Beispiel von Lemberg über Dornfeld, Hartfeld, Ranischau, Brigidau, Ugartsthal nach Zaleszczyski, von hier weiter nach Mileschoutz in der Bukowina und wieder auf irgend einem Wege zurück nach Lemberg. Dieser Umlauf dauerte oft mehrere Wochen. Jeder Pastor mußte das Zirkular unterschreiben und den Tag des Empfangs und der Weiterbeförderung der Kontrolle halber vermerken.
Die Besoldungsverhältnisse waren anders in den Stadtgemeinden und anders in den Landgemeinden. Eine einheitliche Besoldungsnorm konnte es nicht geben, die Höhe des Gehalts hing von der Leistungsfähigkeit der Gemeinde ab. Sie war in der Vokation umschrieben. Mit dem Ärarzuschuß betrug der Pfarrergehalt jährliche 300 rheinische Gulden. Dazu kamen freie Wohnung und Beheizung, Wirtschaftsgebäude und mindestens 6 Joch Acker, der von der Gemeinde bestellt wurde. Die Sätze der Stolagebühren waren klein. Das Ärar hat im Jahre 1807 sämtliche galizische Gemeinden mit einer Summe von 1125 fl. unterstützt.
Enttäuschungen gab es oft genug auf beiden Seiten, sowohl für die Pfarrer wie auch für die Gemeinden. Es kamen manchmal ganz fragwürdige Gestalten als Seelsorger in die Gemeinden, ohne jedwede geistliche Eignung, ohne Charakter, Abenteurer. Andererseits fanden sich außerordentlich tüchtige Pfarrer in ihren Erwartungen, mochten sie auch noch so bescheiden gewesen sein, enttäuscht. Das Pfarrhaus war unbewohnbar, der vierteljährlich zu zahlende Gehalt wurde unregelmäßig entrichtet, der ewige Hader in der Gemeinde lähmte die geordnete Seelsorgetätigkeit. Manche Pfarrer gingen bei Nacht und Nebel durch. Die Pfarrerflucht in die Zips z.B. war für die galizischen kirchlichen Verhältnisse so bedenklich, daß die österreichische Hofkanzlei bei der ungarischen Vorstellungen machte, wie die Pfarrer aus der Zips sich in ihre nahe Heimat zu verziehen begannen, und die ungarische Hofstelle erließ ein Gesetz, daß die ungarischen Superintendenturen nur solche Pastoren aus Galizien anzustellen befugt seien, die sich mit einer Entlassungsurkunde des Wiener Konsistoriums und einer Bestätigung über die bezahlte Entlassungstaxe auswiesen.
Der Lemberger Pfarrer Cerulli schreibt zwar in einem Bericht vom 15. März 1796 bereits, der Gang des protestantischen Kirchen- und Predigerwesens habe seit 1784 eine feste und gesetzliche Form erhalten, aber das war ein zu schönfärberisches Urteil, wie es gleich die nächsten Jahre erwiesen. Erst 1807 konnte Bredetzky mit größerem recht es tun, wenn er feststellte, daß alle in Galizien befindlichen Gemeinden mit Pastoren versehen seien. 1808 waren fünf Pastoren ohne Universitätsstudien, nur auf Grund ihrer pädagogischen Tüchtigkeit als Lehrer an Schulen des Auslands nach Galizien gezogen: Wittchen in Ugartsthal, Tock, der erste Diakonus in Lemberg, Demiany in Neu-Sandez, Johann Steller in Hartfeld und Tobias Steller in Ugartsthal. Bredetzky lag deretwegen in der brieflichen Fehde mit einem ungarischen Amtsbruder, der höhnisch geschrieben hatte, die galizischen Pfarrer seien theologisch ungebildet. Er antwortete: „ Beide (Wittchen und Tock) sind würdige Männer. Für Wittchen (er hatte Galizien bereits wieder verlassen) möchte ich jetzt noch, könnte ich ihn wieder herbeiziehen, viel auf Universitäten gebildete Männer hergeben. Die beiden Steller und selbst Demiany waren in Zipsen nur an Trivialschulen angestellt. Dafür sind sie jetzt geschickte Prediger, welche den Unterricht der Jugend, das wichtigste Geschäft eines Seelsorgers, mit Verstand und Geschick besorgen.“ Aber die Sorge um den Nachwuchs an Pfarrern für Galizien gestaltete sich je länger je mehr zu einer für die Gemeinden lebenswichtigen Frage. Bredetzky hatte die Wichtigkeit erkannt, diesen Nachwuchs aus Galizien heranzuziehen. Er wies die Pfarrer an, in ihren jährlichen Schulausweisen ihm solche Schüler namhaft zu machen, die fähig seien und besonders gute Fortschritte machten. Mit demselben Gedanken des Nachwuchses trug sich das Konsistorium. 1805 tauchte der Plan auf, ein evangelisches Gymnasium zu errichten. Als dessen Sitz wurde Teschen ins Auge gefaßt. Das war die erste Idee zur späteren Errichtung des evangelischen Albrechtsgymnasiums in Teschen, aus dem mancher hervorragende Kirchenmann hervorging.
Nur noch ein Wort über das Schulwesen damaliger Zeit. Die gesetzlichen Vorschriften bei Versetzungen von Lehrerstellen waren denen von Pfarrstellen ähnlich. Stadtgemeinden, die ihren Lehrer selbst erhielten, hatten das Wahl- und Berufungsrecht und mußten nur die erfolgte Neuanstellung der Kirchenbehörde und der Landesstelle zur Genehmigung vorlegen. Die Landgemeinden, deren Schulen vom Ärar errichtet waren und von ihm ein jährliches Salar zur Erhaltung des Lehrers bezogen, durften sich ihren Lehrer nicht allein beziehen. Der Vorgang war im allgemeinen folgender, wobei die Ingerenz des Staates ausschlaggebend war: die Gemeinde meldete dem Kreisamt die Vakanz der Lehrerstelle an und machte Vorschläge zu ihrer Besetzung, wenn sie einen Kandidaten ins Auge gefaßt hatte, widrigenfalls erbat sie sich einen solchen. Den Kandidaten unterzog das Kreisamt einer Prüfung und präsentierte ihn hierauf dem betreffenden Pastor, der die Spezialaufsicht über die Schule hatte, zur Untersuchung, wie es mit seiner Fähigkeit im Erteilen des Religionsunterrichts und mit seiner sittlichen Führung stand. War auch das Pfarramt für ihn, dann wurde er gewählt und dem Gubernium zur Bestätigung vorgeschlagen. War diese erfolgt, dann wurde der Lehrer in sein Amt eingeführt.
Es gab damals sogenannte Trivialschulen in den Landgemeinden, in denen die Kinder dürftig Lesen, Schreiben, Rechnen und in Religion unterrichtet wurden, und höherorganisierte Normalschulen in Städten. War aber die Gemeinde klein und arm und wurde der geringen Zahl von Kindern wegen keine Schule vorhanden, dann wurde dennoch wenigstens eine Winter- oder Winkelschule unterhalten, wo der sogenannte Lehrer, gewöhnlich ein des Lesens kundiger Bauer oder ein nicht besser vorgebildeter ausgedienter Soldat oder ein Handwerker in den Wintermonaten die Kinder in den Bauernhäusern abwechselnd versammelte und im Lesen notdürftig unterwies. Verfolgt man die Geschichte der Gemeinden, so ist es erhebend und man wird ergriffen, wenn man hört und liest, wie sehr auch die kleinsten und ärmsten Gemeinden, z.B. die heute längst eingegangenen um Neu-Sandez, sich um die Schulung ihrer Kinder bemühten.
Übrigens gab es keinen gesetzlichen Schulzwang. Aber Pfarrer und Lehrer suchten, wo es nötig war, die Bauern zu überreden, die Kinder dem Lehrer zu überlassen. In der Saat- und Erntezeit behielten die Bauern ihre Kinder zu Feldarbeiten zu Hause. Dagegen konnte keine Gewalt ankommen. Wohl wollten die Behörden es nicht dulden. So verurteilte z.B. die Sanoker Hauptschuldirektion den Brandower Lehrer Gießler, weil er gegen die Ordnung der Saatzeit 3 – 4 Wochen keinen Unterricht gehalten, zur Rückgabe eines Teils seiner Ernte, und weil er ohne Prüfung war, zum Verlassen seiner Stelle. Aber selbst Bredetzky, der von der Notwendigkeit der Jugendbildung und Jugenderziehung so durchdrungen war, entschuldigt und begründet diese Saumseligkeit Gießlers in der Verteidigungsschrift für ihn an die Behörde mit folgenden Worten: „ Da die Regierung die Landwirtschaft haben will, muß sie es eben zulassen. Wenn die Bauernkinder bis zu ihrem 13. Lebensjahr täglich nur 6 Stunden in der Schule sitzen, werden sie jeder Feldarbeit abgeneigt sein. Daß doch, fährt er fort, manche Menschen nur dann Eifer für das Gute und Schöne und Kirche und Schule zeigen, wenn sie jemanden unglücklich machen wollen. Von diesem Eifer spricht die heilige Schrift: sie eifern für Gott, aber mit Unverstand.“
Nach der allgemeinen Schulordnung vom Jahre 1794 sollte kein Kind die Schule eher verlassen, bevor es nicht die notwendigsten Lehrgegenstände der zwei Trivialklassen, Lesen, Schreiben, Rechnen und die Christenlehre wenigstens mit mittelmäßigem Fortgang erlernt habe. In einer Zuschrift des Lemberger Kreisamts an den Senior Cerulli heißt es mit Bezug auf die protestantischen Landgemeindeschulen, daß bei den Kindern nicht eher die Konfirmation und damit die Entlassung aus der Schule vorgenommen werden solle, bis sie sich mit einem von dem Schullehrer ausgestellten Zeugnisse ausweisen können, daß sie die zweite Schulklasse wenigstens mit mittelmäßigem Fortgang gemacht haben.
Allgemein wurde somit vom November bis Ostern unterrichtet. Der Schulbesuch ließ auch sonst viel zu wünschen übrig. In den jährlichen Schulausweisen, die Pfarrer und Lehrer fürs Konsistorium anzulegen verpflichtet waren, wiederholen sich ständig die Klagen darüber. Der Unterricht erstreckte sich auf das Buchstabieren, Lesen und Rechnen, im Mittelpunkt aber stand die Religionsunterweisung im kleinen Katechismus, im Psalter und in den Anfangsgründen der Religionsgeschichte. Lehrer Georg Herbst in Dobrzanica erstattet am 14. April 1808 folgenden Bericht über den Schulbetrieb im Winter: Erste Klasse (d.h. obere Stufe) 1. Den Deutschdruck lesen gelehrt. 2. Verschiedene Handschriften in Deutsch lesen. 3. Die deutsche Vorschrift der k.k. Normal-Handschrift genommen. 4. Die fünf (?) Spezies des Rechnens. 5. Auswendig: die sechs Hauptstücke, den Breslauer Katechismus. Die Fragestücke im Lutherischen Katechismus für die Kommunizierenden. Konfirmationsunterricht in 72 Fragen. Die Lehre von dem Amt der Schlüssel. Katechismus bis zum zweiten Hauptstück. – In der zweiten Klasse: buchstabieren. – In den Akten des Lemberger Pfarramts befindet sich ein äußerst sauber geschriebener Wochenplan eines Lehrers, leider ohne Namen, Datum, noch Ortsangabe. Raummangelshalber können wir ihn hier nicht mitteilen. Am Schlusse des Schuljahres, um die Osterzeit, gewöhnlich am Gründonnerstag, fand eine öffentliche Prüfung statt, vielfach im Bethause nach der Passionspredigt in Gegenwart der Eltern und etwaig geladener Gäste vom Kreisamt und der Kameralherrschaft. Die unmittelbare Aufsicht der Schule führte der Pfarrer. Über der kirchlichen Aufsicht stand die obrigkeitliche. Die Kirchenbehörde hatte mit der Schulverwaltung einen ähnlich harten Stand, wie mit manchen Pfarrern. Die Ursachen waren die gleichen: einmal lag es am Lehrer, ein anderesmal an der Gemeinde. Noch 1808 klagt Bredetzky: „Die galizischen Schullehrer sind gewöhnliche, verdorbene Bauern und sind selten im Stande, einen Unterricht zu erteilen.“ Durch den ewigen Wechsel der Lehrer litt der Unterricht und es konnte das Schulwesen selten Formen annehmen. Kirche und Staat hatten den richtigen Instinkt, wenn sie ununterbrochen ihr Augenmerk auf die Hebung der Übelstände im Schulwesen gerichtet hatten. Schon 1793 war eine Superintendentialanweisung an die Pastoren gegangen, besonders Schul- und Erziehungspredigten zu halten. Was konnte aber alles Predigen helfen, wo der Lehrer unfähig war, er hungrig war, die Gemeinde entweder wirklich arm oder gebefaul.
Die Ingerenz der weltlichen Behörde auf das protestantische Schulwesen bestand in der gesetzgeberischen Normierung und der obersten Schulaufsicht. Das unmittelbare weltliche Schulaufsichtsorgan war der Dorfschulinspektor, auch Normaldirektor genannt. Kirche und Obrigkeit teilten sich somit die Schulaufsicht. Eine obrigkeitliche Schulvisitation wurde vorschriftsmäßig vom Schulinspektor und dem Pfarrer gemeinsam vorgenommen. Aber die ungenaue Begriffsbestimmung „Pfarrer“ ohne konfessionelle Unterscheidung hatte eine Verwischung der Kompetenzlinie der konfessionellen Ingerenz zur Folge, woraus sich viele Übergriffe katholischer fanatischer Geistlicher und Mißhelligkeiten zwischen beiden Konfessionen ergaben. Nach den gesetzlichen Bestimmungen hatte ein katholischer Dechant als Schul-Distrikts-Aufseher das Recht, die Schulen seines Distrikts zu visitieren. Was wunder, daß er seine Aufgabe wörtlich auffasste und auch die protestantischen Filialschulen seines Bezirks visitierte. Der erste galizische Superintendent Paulini ersuchte 1805 die Regierung, die Schulaufsicht protestantischer Schulen ausschließlich der protestantischen Kirche zuzuweisen. Aber das Hofdekret vom 8. September 1805 lehnte es ab, denn nach dem Gesetze obliege die Schulaufsicht im Lande dem jeweiligen katholischen Dechanten als Schul-Distrikts-Aufseher. Die protestantische Kirche sei wohl unmittelbare Vorgesetzte des Schullehrers, aber bei Klagen über den Schullehrer habe sie sich an den Dechanten zu wenden. Der Dechant visitiere die Schule außer dem Religionsunterricht, den er nur in Anwesenheit des Kreiskommissärs visitieren dürfe. Den Visitationsbericht habe er nicht ans Kreisamt, sondern ans Konsistorium zu senden. Die Bemühungen des Konsistoriums, das evangelische Schulwesen der Aufsicht seiner Kirchenbehörde zu unterstellen, hatte erst 1808 teilweisen Erfolg. Mit Hofdekret vom 6. April wurde die von der katholischen Kirche ausgeübte Schulaufsicht den Kreisämtern übertragen. War das Leben der meisten Landpfarrer und Landlehrer an und für sich nur ein kümmerliches Vegetieren, so war es für sie eine ganz außerordentliche Last, daß sie für den Pfarr- und Schulgrund dazu noch jährlich erhebliche Zinsen zahlen mußten. So zahlte der Lehrer in der kleinen Filialgemeinde Golkowice an die Kammer in Alt-Sandez 10 Garnez[2] Korn, 24 Garnez Gerste und ein Korez Hafer.
In den ersten Jahrzehnten standen die Ansiedler mit dem Mutterlande in regem Verkehr. Ihre Not fand in Deutschland ein reges Interesse. Bücher- und Spendensammlungen liefen von drüben häufig ein. Um nur ein Beispiel zu geben, das von löblicher Gesinnung, glaubenstreuem Mitempfinden für die Nöte der galizischen Kolonisten zeugt, wenn auch die Erinnerung daran durch unwürdiges Handeln in Galizien selbst etwas verdunkelt wurde: eine in Stuttgart 1800 verstorbene Baroneß von Uexküll bestimmte ein Legat von 165 fl. zur Verteilung unter arme galizische Lehrer, „um sie zum Eifer für ihr Amt aufzumuntern und zumTheil gute Schulbücher zur Bildung der Jugend anzuschaffen.“ Mit der Beschaffung geeigneter Schulbücher hatte es damals seine Not. Manches kam aus Deutschland. Vorgeschrieben und planmäßig eingeführt war kein Buch, nicht einmal für den Religionsunterricht; was vorhanden war, wurde gebraucht. Empfohlen war vom Konsistorium laut Intimat vom 15. Februar 1796 der „Erste Religionsunterricht für die evangelischen Schulen, verfaßt von Konsistorialrat Schmidt, verlegt beim Wiener Buchhändler Stahel und Comp., Preis 12 kr.“
Wie eingangs berichtet, war die Verwaltung des protestantischen Kirchenwesens in Galizien bei seinem Entstehen der Superintendentur in Teschen zugewiesen. Das war im Jahr 1784. Die schlesische Superintendentur umfaßte damals die Kronländer Schlesien und Mähren und wurde nun über Galizien und die Bukowina erstreckt. Superintendent war Traugott Bartelmus. Er war 1735 geboren und verwaltete die Kirche in Galizien bis 1804. Mit Hofdekret vom 2. November 1804 wurde Galizien zur selbständigen Superintendentur mit dem Sitz in Lemberg erhoben. Erster Superintendent war Josef Paulini 1804 – 1806. Auf ihn folgte Bredetzky bis 1812. In Seniorate wurde Galizien 1789 geteilt. Anfangs in zwei: ein westliches in Biala und ein östliches in Lemberg. Zum Bialaer Seniorate gehörten die Pastorate Biala, Stadlo, Pdogórze, Reichsheim, Ranischau, 1802 und 1808 kamen dazu Neu-Sandez und Gawlów. Das östliche Seniorat umfaßte: Lemberg, Reichau, Hartfeld, Dornfeld, Brigidau, Bandrów, Ugartsthal, Josefów und Zaleszczyki, dazu noch die Bukowinaer Pastorate Mileschoutz und später Czernowitz. Auch Lublin und Wegrów, in dem damaligen Westgalizien, das bis zum Bug und der Pilica reichte, gehörten dazu. Unter Bredetzky wurde das ungeheure Gebiet weiter geteilt, und zwar wurden die Pastorate Ugartsthal und Zaleszczyki zu einem besonderen Seniorat abgetrennt mit dem Sitz in Ugartsthal, später in Zaleszczyki. So entstanden die heutigen drei Seniorate, das westliche, mittlere (Lemberg) und das östliche. Bei der Errichtung der Seniorate ließ sich das Konsistorium von dem Grundsatze leiten, daß nicht der Ort, sondern die Persönlichkeit das Wichtigste sei. Wohl erkannte es bei den damaligen schwierigen Verkehrsverhältnissen, daß Lemberg als Landeshauptstadt der geeignetste Sitz für die Superintendentur sei. Diesem Wunsch kam der glückliche Umstand entgegen, daß, als die Errichtung der Superintendentur brennend war, in Lemberg nacheinander Pastoren wirkten, die zu den Leuchten der protestantischen Kirche Österreichs überhaupt gezählt werden. In unserem Zeitraum bekleideten das Seniorenamt in Biala Pastor Mizia von 1789 bis 1801, ihm folgte in der Würde nach längerer Vakanz Pastor Chmiel. Der erste Lemberger Senior war Pastor Cerulli. nach der Teilung wurde erster Senior in Ugartsthal Pastor Eismann, der es auch blieb, als das östliche Seniorat nach Zaleszczyki verlegt wurde. Am Anfang war auch die Gottesdienstführung nicht einheitlich. die Ansiedler, aus verschiedenen Gebieten Deutschlands kommend, behielten ihre alten Liturgien bei. Man bediente sich meistens der pfälzischen Liturgie, seit 1806 wurde die Wiener eingeführt. An Gesangbüchern wurde vielfach das Marburger gebraucht, da man aus Deutschland mitgebracht hatte und von dem man sich nicht gern trennte. In den östlichen Gemeinden wurde das Heidelberger Gesangbuch benützt, das reformiert war. Der Wunsch nach einem neuen, allgemeinen Gesangbuch war vor allem bei den Pfarrern groß. Das Konsistorium riet zur Einführung des Wiener Gesangbuches von Konsistorialrat Wächter. In allen Kirchen ging damals der Klingelbeutel um.
Die Archivakten berichten aus den Gemeinden mehr Unerfreuliches als Erhebendes. Man darf sich hierüber nicht wundern, bedenkt man die Verworrenheit der Zeit und das entbehrungsreiche Leben der Ansiedler, von denen viele, tief enttäuscht, bald in ihre alte Heimat zurückkehrten. Wie immer und überall hing das Wohl und Wehe einer Gemeinde in geistiger, religiös-sittlicher und vielfach auch in wirtschaftlicher Hinsicht von seinen Führern, dem Pfarrer und Lehrer ab. Waren sie die richtigen Männer, die ein lebendiges Bewußtsein von der Schwere und Verantwortlichkeit des Lehr- und Erziehungsamtes in sich trugen, dann wurde auch eine vernachlässigte Gemeinde durch würdiges Vorleben und treues Arbeiten von Lehrer und Pfarrer aus Dumpfheit, Verrohtheit und Irreligiösität zu einem vorbildlichen Gemeinschaftsleben herausgeführt. Die ersten vier Jahrzehnte der Ansiedlungszeit entbehren solcher Beispiele keineswegs. Leider wechselten aber tüchtige und unwürdige Männer in den Gemeinden zu oft; was der eine schuf, verdarb der Nachfolger, so daß die Entwicklung zum Bessern keine Stetigkeit hatte. die Verderbtheit war das Kainszeichen der Zeit. Staat und Kirche waren ehrlich bemüht, den Dingen eine Wendung zum Guten zu geben. Aber die Kirchenlosigkeit nahm zeitweilig erschreckende Formen an, so 1803, als infolge der Vakanz mehrerer Pfarrstellen eine große Unordnung ins Kirchenwesen eingerissen war. Bereits ein Jahr zuvor hatte das Konsistorium den Superintendenten Bartelmus beauftragte, die Übelstände zu beheben. Aber es war schlechterdings vom Teschner Oberhirten schwer zu verlangen, daß er bei seinen 67 Jahren in Galizien an Ort und Stelle eingreife. Er war tatsächlich niemals ins Land gekommen. Die Zustände zwangen das Konsistorium, endlich einen energischen Schritt zu tun, und es tat das angemessenste, es errichtete die galizische Superintendentur. Und was das Wichtigste war, man fand die Männer, die geeignet waren, die Erneuerung der galizischen protestantischen Kirche herbeizuführen: Paulini und Bredetzky. Und es zeigte sich, daß die rauhe Schale an den Ansiedlern einen gesunden Kern barg. Pastor Wittich in Bandrów trifft in seinem Brief an die Superintendentur vom 5. August 1805 das Richtige, zumal weil er die eigentliche Ursache des Übels in der unheilvollen Ansiedlungspolitik, der planmäßigen Zerstreuung der Kolonisten über das weite öde Land erkannte. Die Briefstelle lautet: „ So sehr auch manche Deutsche in der rauhen Gebirgsgegend verwildert sind, so sind doch viele, besonders die Alten noch immer ihrem deutschen Charakter treu, bieder, fürs Gute empfänglich. Nur die junge Nachkommenschaft dauert mich sehr, weil sie der großen Entfernung wegen von der Muttergemeinde weder in der Schule, noch in der Kirche gehörig kann unterrichtet werden, zu dem ist der meisten Kolonisten Armut in diesem Gebirge zu groß, als daß sie etwas auf die Bildung ihrer Kinder wenden können. Kaum des Lesens kundig sind sie, müssen 2 bis 4 Stunden zur Kirche gehen, über schäumende Wildbäche. Dies ist mein größter Kummer, daß bei der Ansiedlung dieser Kolonien jede Handvoll Leute an einen anderen Ort ist hingesetzt worden, und daß man so wenig Rücksicht auf die Beförderung sittlicher Bildung genommen hat.
In den Tabellen sind die statistischen Angaben aus den Dokumenten des Lemberger Pfarrarchivs zusammengestellt.
Pastorat |
Filialen |
Pfarrer |
Lehrer |
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Biala |
(Lipnik, Seilersdorf) |
1796 - 1799
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Krakau-Podgórze |
Deutsch-Lednica, Majkowice |
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Neu-Gawlów |
Majkowice Wojtowstwo Bochnia Trinitatis Krzeszów Bogucice Bratucice Ksiaznice |
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Stadlo |
15 Filialen, darunter Chelmiec Golkowice Wachendorf Bistrzyce Hutweide Podrzecze |
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Neu-Sandez (anfangs Filiale von Stadlo, 1803 selbständig) |
13 Filialen, darunter Zawada Bogucice Brzezina |
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Reichsheim |
Hohenbach Padew Tuszów Ostrów |
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Ranischau |
Steinau Dzków Wola-Raniszowska-Poreby |
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Reichau |
Einsingen Deutsch-Smolin Lindenau Ostrowice (reformiert) Felsendorf (reformiert9 |
1788 – 1796
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Hartfeld |
Schumlau Kuttenberg Rottenhan Moosberg (ref.) Walddorf Rehfeld Kupnowice Neu-Burczyce Berdikau |
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Brigidau |
Neudorf Gassendorf |
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Dornfeld |
Falkenstein Reichenbach Chrusno Lindenfeld Einsiedel Rosenberg |
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Bandrów |
Makowa Steinfels Berechy Obersdorf Prinzenthal |
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Ugartsthal |
Landestreu Kalusz Neu-Dolina Engelsberg Horocholina Weldzirz Stanislau Bohorodczany Grabowiec Solotwina Nowica Petranka Krasna |
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Lemberg |
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Josefów |
Heinrichsdorf Mierów Hanunin Stanin Buskow Antonin Zabawa Sapiezanka Suszno |
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Gelsendorf |
Oleksice Neu-Babilon Stryj |
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Zaleszeczyki |
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Königsberg (reformiert) |
Gillershof Baranówka Lukowa Neu-Dornbach Lezajsk |
(aus Böhmen) 1804 |
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Josefsberg |
(Ugartsberg) |
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* Text gemeinfrei gem. § 64 UrhG; Rechtschreibung aus dem Original übernommen; Irrtum der Abschrift vorbehalten
Die ausführliche Darstellung der Besiedlungsgeschichte findet sich hier:
Ludwig Schneider "Das Kolonisationswerk Josephs II. in Galizien"
Posen / Leipzig 1939
online: > > > http://www.mtg-malopolska.org.pl/images/skany/schneider_djvu/schneider.djvu
[1] Diligence / Diligenz = alter Ausdruck für „Postkutsche“
[2] Garnez = alte russ. Maßeinheit für Korn, 1 Garnez entsprach 3,28 Liter